Unternehmerisches Denken und Handeln

Als kommunikativer Schwerpunkt 2022 hat FH SCHWEIZ das «unternehmerische Denken und Handeln» definiert. Aus diesem Grund beteiligte sich FH SCHWEIZ an den Meisterschaften EntrepreneurSkills an den SwissSkills 2022. Ausserdem hat FH-SCHWEIZ Präsident Andri Silberschmidt am 29. November 2021 das Postulat «Auslegeordnung zum "unternehmerischen Denken und Handeln" in der Schweizer Bildungslandschaft» eingereicht.  Am 13. September 2023 wurde es vom Nationalrat angenommen.


Inhalt Postulat

Das Postulat 21.4348 «Auslegeordnung zum unternehmerischen Denken und Handeln in der Schweizer Bildungslandschaft» von Andri Silberschmidt forderte den Bundesrat auf, in Zusammenarbeit mit der EDK zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie das unternehmerische Denken und Handeln (UDH) in der Bildungslandschaft verankert ist und wo und wie das UDH stärker verankert und im ganzen Bildungssystem besser aufeinander abgestimmt werden könnte. Dies sowohl in seinen Zuständigkeiten als auch in denjenigen Bildungsstufen mit kantonaler Zuständigkeit.

Die Schweiz ist im Bereich der Innovation weltweit führend. Eine Voraussetzung, diese Position auch in Zukunft zu halten, ist ihr Humankapital. Es braucht unternehmerisch denkende und handelnde Angestellte, die Verantwortung für ihren Wirkungsbereich übernehmen und Unternehmen mitgestalten (Intrapreneurship), Gründer:innen, die Innovationen erfolgreich lancieren und Nachfolger:innen, die dafür sorgen, dass bestehende Unternehmen, deren Nachfolge ungeregelt ist (im Jahr 2020 etwa 75 000, Bisnode D&B, 2020) weitergeführt werden.

Unternehmerische Kompetenzen sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die Zukunft der Schweiz aktiv, verantwortungsbewusst und innovativ zu gestalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob unternehmerische Kompetenzen im Bildungssystem in der Schweiz auf allen Bildungsstufen genügend gefördert werden.

In seiner Antwort zur Interpellation 21.3706 beschreibt der Bundesrat punktuelle Anstrengungen zur besseren Verankerung von UDH in der Schweizer Bildungslandschaft. Die Antworten zeigen auch auf, dass eine Auslegeordnung, geschweige denn eine nationale Strategie, zu UDH fehlt. Diese Lücke soll mit einem Bericht auf Basis dieses Postulats geschlossen werden. Der Bericht soll ergänzend zum Postulat 20.4285 erstellt werden, welches den Fokus auf die Lehrmittel und Gleichstellung hat.


Antwort Bundesrat

Der Bundesrat erachtet unternehmerische Kompetenzen als wichtig, beantragte am 23.02.2022 aber trotzdem die Ablehnung des Postulates. Die Gründe dafür sind:

  • Auf Ebene der Volksschule sehen die drei sprachregionalen Lehrpläne den Erwerb transversaler Kompetenzen vor, die für die spätere Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen nützlich sein können.
  • Auf Ebene der Gymnasien bietet das gemeinsame Projekt von Bund und Kantonen "Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität" (matu2023.ch) Gelegenheit, den Status von Fächern wie Wirtschaft und Recht sowie die Gewichtung transversaler Kompetenzen zu überprüfen.
  • Die Berufsbildung wird von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt verbundpartnerschaftlich gesteuert. Die Organisationen der Arbeitswelt sind für die Ausbildungsinhalte zuständig; dadurch wird sichergestellt, dass die Profile der beruflichen Grundbildung und der höheren Berufsbildung auf die aktuellen und künftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt sind. Zur Vertiefung unternehmerischer Kompetenzen bietet die höhere Berufsbildung (eidgenössische Prüfungen und höhere Fachschulen) den Absolvent:innen einer beruflichen Grundbildung spezifische Fortbildungen, um Führungsaufgaben übernehmen oder ein eigenes Unternehmen aufbauen zu können. Ein Bericht in Erfüllung des Postulats 4285 wird den Stellenwert des Unternehmertums insbesondere in Angeboten der höheren Berufsbildung näher analysieren. Die höhere Berufsbildung bereitet jedes Jahr über 25 000 qualifizierte Fachkräfte darauf vor, auf dem Arbeitsmarkt verantwortungsvolle Stellen zu übernehmen.
  • Im Hochschulbereich bilden Entrepreneurship und Innovation einen wichtigen und breit verankerten Themenbereich. Entwickeln und Umsetzen von Ideen und unternehmerisches Handeln werden breit verstanden, von betriebswirtschaftlichen und technologischen bis zu sozialen, kreativen und künstlerischen Aspekten. Entrepreneurship und Innovation werden in zahlreichen Aus- und Weiterbildungen behandelt (vgl. studyprogrammes.ch) und sind auch Forschungsgegenstand. Hochschulen fördern zudem Start-ups und Spin-offs durch Hubs, Clubs und Unterstützungsorganisationen. In den strategischen Zielen 2021-2024 des Bundesrates für den ETH-Bereich (www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2021/1038/de) ist die Förderung des Unternehmertums ausdrücklich festgehalten. Die Schweizerische Hochschulkonferenz unterstützt derzeit das Pilotprojekt "Entrepreneurial Competence in Science" der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
  • Entrepreneurship und Innovation werden vom Bund auch über die Forschungs- und Innovationsförderung unterstützt: Innosuisse unterstützt Start-ups bei der Entwicklung einer Geschäftsidee, der Geschäftsgründung sowie der Wachstumsstrategie mittels der Programme "Start-up Coaching" und "Start-up Training". Mit der am 17. Dezember 2021 vom Parlament verabschiedeten Revision des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und der Innovation kann Innosuisse Innovationsprojekte von Jungunternehmen fördern, wenn die Projektarbeiten zur Vorbereitung ihres erstmaligen Markteintritts erforderlich sind. Das gemeinsame Programm BRIDGE von Schweizerischem Nationalfonds und Innosuisse unterstützt Forschende, ihre Resultate im Hinblick auf eine mögliche Markteinführung weiterzuentwickeln.

Argumentarium

In der Antwort des Bundesrates wird erkennbar, dass punktuell viel getan wird im Bildungssystem. Es fehlt aber ein integraler Ansatz über alle Stufen. Der Bundesrat verschliesst sich dem Anliegen. Aus Sicht von Bildungsexpert:innen ist dies eine verpasste Chance.

Folgende Argumente sprechen dafür zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie das unternehmerische Denken und Handeln (UDH) in der Bildungslandschaft verankert ist und wo und wie das UDH stärker verankert und im ganzen Bildungssystem besser aufeinander abgestimmt werden könnte:

  • UDH ist unerlässlich für junge Menschen, die die Wirtschaft und Gesellschaft von Morgen mitgestalten möchten. UDH lässt sich trainieren und lernen. Angehenden Firmengründer:innen sollte das nötige Rüstzeug für das Unternehmertum vermittelt werden. Für UDH braucht es unternehmerisches Wissen, unternehmerische Fähigkeiten und eine unternehmerische Einstellung.
  • Die vom Bundesrat in seiner Begründung für die Ablehnung angegebenen Massnahmen sind nicht aufeinander aufbauen oder aufeinander abgestimmt. UDH sollte systemisch verankert sein und damit ein kontinuierlicher Aufbau der Kenntnisse in Bereich UDH in allen Stufen gefördert werden.
  • Alle Lernenden sollen die Chance erhalten, sich unternehmerische Kompetenzen anzueignen. Egal auf welcher Ausbildungsstufe. Die bisherigen Massnahmen, welche der Bundesrat aufführt, haben aber Lücken. Nicht alle jungen Menschen profitieren von einer Einführung in UDH. So ist beispielsweise auf Ebene der Berufsschulen im Projekt «Initiative UDH», welche vom Bund unterstützt wird, nur in einzelnen Kantonen als Pilotprojekte aktiv.
  • Gemäss «Global Entrepreneurship Monitor (GEM) 2020/2021» haben nur 44.5% der Erwachsenen in der Schweiz nach persönlicher Einschätzung die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen eine Firma zu gründen. Damit liegt die Schweiz weit hinter Ländern wie Spanien (51.9%), Slovenien (59.4%), Italien (60.8%) oder den USA (64%). Diese Lücke muss geschlossen werden. Daher sollte man schon früh ansetzen.
  • Das Interesse und die Faszination für ein nachhaltiges Unternehmertum sollte vermehrt schon bei Jugendlichen verbreitet werden. Nur so lässt sich die Bereitschaft und den Wunsch zum aktiven Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft bewirken.
  • UDH ist ein zentrales politisches Ziel der EU und vieler Mitgliedländer. 29 Länder verfügen über eine Strategie zur Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen. Dabei geht es neben dem Thema Existenzgründung / Unternehmensgründung auch um Aspekte wie «Aktive Bürgerschaft», «Soziales Unternehmertum» und «Beschäftigungsfähigkeit». 9 Länder oder Regionen der EU und die Schweiz selber verfügen über keine integrale und systematische Verankerung von UDH. Die Schweiz droht in der Bildung an Boden zu verlieren.


Parlamentarische Behandlung

13.09.2023 Nationalrat nimmt Postulat an
Der Nationalrat hat das Postulat «Auslegeordnung zum unternehmerischen Denken und Handeln in der Schweizer Bildungslandschaft» mit 103 zu 70 mit 17 Enthaltungen angenommen. Damit wurde der Bundesrat beauftragt, in Zusammenarbeit mit der EDK zu prüfen und Bericht zu erstatten, wie das unternehmerische Denken und Handeln (UDH) in der Bildungslandschaft verankert ist und wo und wie das UDH stärker verankert und im ganzen Bildungssystem besser aufeinander abgestimmt werden könnte.

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